Die Seychellen, knapp südlich des Äquators rund 1.500km vor der afrikanischen Ostküste gelegen, bestehen aus rund 115 Inseln und sind hinsichtlich ihrer Landfläche von insgesamt nicht einmal 300 qkm eines der kleinsten Länder der Erde. Da sich die Inseln jedoch grossräumig verteilen erstreckt sich das maritime Hoheitsgebiet dieser Nation auf eindrucksvolle 1,3 Millionen qkm.
Es gilt zwischen den in ihrer Charakteristik völlig unterschiedlichen "inner islands" und den "outer islands" zu unterscheiden. Bei Letzteren handelt es sich um flache Sand- bzw. Korallenatolle wie man sie auch von den Malediven, Polynesien und vielen anderen Orten kennt. Abgesehen von den beiden nördlichen Atollen Bird Island und Denis Island erstrecken sich die "outer islands" hauptsächlich auf dem Amirantengürtel etliche hundert Kilometer südwärts bis zum weltbekannten Aldabra-Atoll.
Etliche dieser Inseln beherbergen hochklassige und - preisige Ressorts von Weltrang und bieten eine erstklassige Fischerei. Am bekanntesten in Anglerkreisen ist Alphonse Island, das im Laufe der vergangenen Jahre den Rang als wohl weltweit begehrtestes Ziel für Fliegenfischer erlangt hat. Weitere wie z.B. Desroches und d`Arroz, aber auch die beiden genannten nördlichen Inseln, bieten ebenfalls hervorragende Angelmöglichkeiten.
Das Ziel der bei weitem meisten Reisenden sind jedoch die "inner islands". Diese beeindrucken durch ihre üppig bewaldeten Bergzüge und natürlich die bekannten Granitformationen, die diesen Inseln ihre Unverwechselbarkeit und weltweite Einmaligkeit verleihen.
Die "inner islands" gliedern sich hauptsächlich in die Mahe-Gruppe und die Praslin-La Digue-Gruppe. Beide liegen relativ mittig auf einem grossen Plateau, das durchschnittlich rund 60m Tiefe aufweist und an seinen Kanten steil auf etliche tausend Meter abfällt. Dies ist hervorragend zu erkennen via Google Earth:
Das Plateau selbst ist reich strukturiert und weist erhebliche Tiefenunterschiede auf, ist jedoch nirgends tiefer als 75m. Vielerorts finden sich Riffe und felsige Erhebungen, manche nur einige Meter hoch, andere bis an die Meeresoberfläche oder darüber hinaus ragend. Diese zahllosen Strukturen sind nicht nur Hotspots für Grundfische und Trevallies, sondern auch Anziehungspunkt für Schwärme von Jungfischen, die wiederum pelagischen Räubern bis hin zum Segelfisch und Schwarzen Marlin als Nahrungsquelle dienen.
Des Weiteren bietet der Drop Off selbst eine fantastische Angelei, denn dort finden sich nicht nur grundnah die grossen Amberjacks und Hundszahntune. Auch das Trolling entlang dieser sich über hunderte Kilometer erstreckenden Abbruchkante dürfte hinsichtlich Artenvielfalt und Bissfrequenz zum Besten gehören, das sich weltweit finden lässt. Und dahinter, über dem tiefen Wasser, öffnet sich das Fanggebiet für Blauen und Gestreiften Marlin sowie die wirklich kapitalen Gelbflossentune.
Wer es feiner mag muss nicht so weit hinaus. Für Spinn- und Fliegenfischer bieten sich die Küstenlinien der Inseln, die vorgelagerten Aussenriffe, und die dazwischen liegenden, teils weitläufigen Flachwassergebiete an, auf denen sich vom kleinen Boot oder auch watend nebst vielen anderen Arten den begehrten Bonefish und Milkfish nachstellen lässt.
Diese Vielzahl völlig unterschiedlicher Lebensräume bietet allerbeste Bedingungen für eine extreme Bandbreite aller möglichen Fischarten - und somit sowohl dem vielseitigen als auch dem hinsichtlich seiner favorisierten Angeltechnik spezialisierten Sportfischer ein wahres Eldorado.
Dass das Plateau selbst sowie weitere Bereiche jenseits davon aus technischen und rechtlichen Gründen der industriellen Fischerei verschlossen sind, tut sein Übriges zur aussergewöhnlichen Qualität der hiesigen Fischbestände. Oder um es mit den Worten eines alten, einheimischen Fischers zu sagen: "Unser Plateau ist der wahre Schatz der Seychellen."
Zum Abschluss der Revierbetrachtung noch der Versuch einer Antwort auf die oft gestellte Frage "Was ist besser als Ausgangspunkt, Mahe oder Praslin-La Digue?"
Die Möglichkeiten sind grundsätzlich sehr ähnlich. Erwägenswert sind folgende Aspekte:
- Mahe bietet eine deutlich umfangreichere Auswahl unterschiedlicher Boote, besonders hinsichtlich der grösseren und luxuriöseren.
- Praslin und La Digue sind deutlich kleiner als Mahe. Dies bedeutet weniger Boote und Ausfahrten, und damit geringerer Befischungsdruck auf die Spots.
- Je nachdem wo auf Mahe das Boot seinen Liegeplatz hat, kann die Anfahrt zu Stellen auf der gegenüberliegenden Inselseite langwierig ausfallen. Die kleineren Inseln können hingegen problemlos im Umkreis von 360 Grad befischt werden.
- Die Strecke und somit Fahrzeit zum Drop Off ist von Praslin und La Digue aus rund 25% kürzer als von Mahe. Dies wirkt sich sowohl auf die Angelzeit als auch auf das Niveau der Charterpreise aus.
Aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Äquator weisen die Seychellen über den Jahresverlauf weder grosse Temperaturschwankungen noch nennenswerte Änderungen der Tageslichtdauer auf. Trotzdem gibt es unterschiedliche Jahreszeiten, die sich in erster Linie durch die jeweiligen Windrichtungen und -stärken definieren.
Ab Mai/Juni beginnt die Zeit des Südost-Passats. Dieser weht in der Regel bis etwa Oktober sehr gleichmässig mit Stärken von zumeist 15-20 Knoten, und flaut nur selten deutlich ab. Entsprechend ist dies nicht die ideale Jahreszeit für Angeltechniken, die driftend ausserhalb des Windschutzes der Inseln vollzogen werden, also insbesondere das Grundfischen und Jiggen. Für das Trolling hingegen ist dies eine sehr produktive Phase, zumal sie mit der Hochsaison für Segelfisch zusammen fällt. Allerdings ist mit reichlich Ausfalltagen aufgrund unfischbarer Bedingungen zu rechnen, und wenn Ausfahrten möglich sind, werden diese kein Zuckerschlecken. Der Angler sollte wirklich seefest sein, und auch ein etwas grösseres Boot (siehe Rubrik Bootsinfos) ist anzuraten.
Nach dem Südostwind schliesst sich eine Transitionsphase von mehreren Wochen an. In dieser weht der Wind zumeist schwach aus wechselnden Richtungen. Dieser Zeitraum bietet ideale Möglichkeiten für alle Angelarten. An den gelegentlichen Tagen völliger Windstille kann die Oberflächenaktivität beim Trolling etwas schwächer ausfallen, und das Anbieten tiefer laufender Köder sinnvoll machen.
Ab etwa Mitte November setzt dann der Nordwest-Monsun ein. Dieser ist unsteter als der Südost, und im Schnitt auch deutlich schwächer, sodass die Bedingungen weiterhin zumeist optimal für alle Angeltechniken sind. Allerdings kann der Nordwest für i.d.R. nur einige Tage deutlich höhere Spitzenwindstärken von 25-40 Knoten erreichen. Dieses Phänomen tritt insbesondere dann auf, wenn südlich ein Zyklon durchzieht. Die "inner islands" selbst liegen jedoch nördlich des Zyklonengürtels. Im Umfeld eines solchen Tiefdruckgebiets ist mit starken Niederschlägen zu rechnen, und auch die Hauptregenzeit fällt in dieses Zeitfenster mit dem Höhepunkt zumeist im Januar.
In Richtung März steigt die Wassertemperatur, und auch die ansonsten dominante westgehende Meeresströmung kehrt sich für eine Weile um. Parallel dazu beginnt der Nordwest sich langsam zu legen, und mündet in eine weitere Transitionsphase mit vergleichbaren Bedingungen wie im Oktober-November, bevor der Südost wieder einsetzt und der Jahreszeitenzyklus erneut beginnt.
Natürlich hält sich die Natur nicht in jedem Jahr an die Statistik, und es kann zu Verschiebungen im Ablauf kommen. Trotzdem macht es Sinn, je nach bevorzugter Angelmethode die Reise bzw. Terminplanung grundsätzlich im Hinblick auf die erläuterten Jahreszeiten und die damit verbundenen Bedingungen auszurichten.